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Herbert Zangs

Herbert Zangs

Krefeld 1924 -
Krefeld 2003


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Auch andere Berühmtheiten zählt Zangs zu seinen Bekannten, ja sogar Freunden. Da wäre zunächst die große Schauspielerin Elisabeth Flickenschildt. Zangs berichtet von einer eindrucksvollen Feier, bei der alle Damen sich ihrer Unterhosen entledigen und sie ins Lager feuer werfen: „Die Flickenschildt hatte aufgrund ihrer Statur eine der größten“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 65). Die berühmte Hildegard Knef wird Zangs’ Zeichenschülerin. Und während seiner Zeit in New York, als Zangs am Times Square als Straßenmaler ein paar Münzen zu verdienen versucht, wird er von einem jungen Musikanten begleitet, einem „Kollegen, der zur Avantgarde gehörte“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 82): Bob Dylan. Auch Jane Fonda bemüht sich um Zangs und vermittelt ihm eine Galerieausstellung bei Leo Castelli. Doch der unstete Krefelder reist noch vor der geplanten Schau unverrichteter Dinge wieder ab und verzichtet auf den möglichen Durchbruch in den USA.

In Zangs’ Wahlheimat Paris lebt Henry Miller im Zimmer neben seinem Atelier. Die beiden Künstler, Brüder im Geiste, ziehen oft nächtelang gemeinsam um die Häuser. Zangs erinnert sich an einen gemeinsamen Abend in einem Bistro mit eigener Brauerei: „Und was bestellte Henry Miller? Belgisches Bier. Das in einem großen Pott“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 122).

Wols und Zangs: Clochards aus freien Stücken

In Paris begegnet Zangs auch Wols. Die beiden verbindet eine Künstlerfreundschaft par excellence, eine regelrechte Amour fou unter Gleichgesinnten. Schauplatz ist das Paris der frühen 1950er Jahre, ein brodelnder Schmelztiegel der Nachkriegsavantgarde. Zangs führt hier immer wieder das Leben eines Clochards. Auch Wols sucht dieses eigenwillige Ideal, während seine Frau lieber in einem Hotel im Quartier Latin nächtigt. Zangs berichtet von der ersten Begegnung: „Ich bin zu den Brücken der Seine gegangen und habe dort nachts geschlafen. Morgens leerte ich die Mülltonnen, suchte nach Essen. Ich fand dieses Leben so reizvoll, dass ich Paris auf keinen Fall verlassen wollte. Eines Tages gesellte sich ein Mann unter den Brücken zu mir. Er war betrunken, sprach Deutsch und stellte sich mir als Wols vor. Eigentlich hieß er ja Schulze. […]

Ein guter Kumpel, ziemlich runtergekommen, am liebsten betrunken, mit kaputten Schuhen und zerrissener Hose. […] Ich fand ihn sympathisch“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 73f.). Mit Wols versteht er sich gut, die beiden teilen Alkohol und Lebensmittel, führen angeregte Gespräche über abstrakte Kunst. Um etwas Kleingeld zu erhalten, sammeln sie alte Weinflaschen - die Arbeitsteilung ist charakteristisch: Wols leert die Reste, Zangs bringt das Leergut zurück und sammelt die Korken. Diese näht er in alte Betttücher ein und erfindet so seine berühmten „Knüpfungen“ - eine Kunstform, die unter den Seine-Brücken ihre geistige Heimat hat. Wols verstirbt am 1. September 1951 in Paris an einer Lebensmittelvergiftung von verdorbenem Fleisch. Der Tod ereilt ihn wenige Tage nach dem letzten Treffen mit Zangs, bei dem die beiden unter der Brücke eine gewaltige Wurst verzehren. Zangs befindet im Rückblick: „Ich will aber nicht daran glauben, dass er sich durch Essen vergiftet hat. Vielmehr glaube ich, daß er sich Magen und Leber mit dem vielen Alkohol ruiniert hat. Daran ist er, so behaupte ich, gestorben“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 77f.). Der kurze, intensive Kontakt mit Wols bleibt für Zangs ein prägendes Erlebnis. Über Wols findet er zum Informel. Und das schon 1952, als einer der ersten deutschen Künstler überhaupt.

Inspiration Zangs

Dass Zangs ein Neuerer ist, bleibt auch den Avantgardisten seiner Zeit nicht verborgen. Viele Künstler sehen in ihm einen Bahnbrecher. Zu nennen ist etwa der große Piero Manzoni, der 1957 die „Achrome“ aus der Taufe hebt. Dass es offenbar Zangs ist, der dieser Werkgruppe das Stichwort gibt, machen nicht nur die deutlich früher entstandenen weißen Bilder des Krefelders augenscheinlich. Auch die Reaktion von Manzoni auf einen Besuch Manfred de la Mottes in seinem Atelier ist bezeichnend: Der Italiener zeigt sich höchst erstaunt über die Visite, da doch gerade kein Geringerer als Herbert Zangs ebenfalls in der Nähe arbeite. Manzoni selbst verleiht Zangs damit den Rang eines Künstlers, dessen Leistung er über der eigenen ansiedelt.

Auch die Mitglieder von ZERO erkennen Zangs’ Innovationen als vorbildhaft an. Sie sehen in dem einige Jahre älteren Avantgardisten einen Geistesverwandten - völlig zu Recht, wie der Blick zurück auf das Schaffen ab 1952 zeigt: Lange vor ZERO bricht Zangs dieser experimentellen Strömung die Bahn. Schon im Gründungsjahr von ZERO kommen Otto Piene und Heinz Mack auf Zangs zu, wollen ihn zu ihrer Gruppe holen. Immer wieder nimmt Zangs auch an den ZERO-Abenden teil, doch gemein machen will er sich nicht mit Piene, Mack und Uecker. Das ständige Theoretisieren ist dem urtümlichen Kraftmenschen Zangs zuwider. Er will vor allem eines: Kunst machen. Und das als bedingungsloser Individualist.


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